Sportler Gene

Es gibt spezielle Gene, die für die sportliche Leistung relevant sind. Diese Gene werden Sportler-Gene genannt. Im Jahr 2000 wurde eine Liste veröffentlicht, die ca. 30 Sportler-Gene aufzeigte. Einige Jahre später waren es ca. 230 Sportler-Gene. Durch die intensive Forschung werden weitere interessante Sportler-Gene entdeckt, die für das Gendoping in Frage kommen können.

Die drei Haupt-Ansatzpunkte des Gendopings sind die Skelettmuskulatur, die Sauerstoffversorgung und die Energie-Bereitstellung.

Zur Verbesserung der Skelettmuskulatur zählen alle Gene, die für mehr Kraft und Ausdauer, für eine stärkere Struktur, ein besseres Wachstum oder schnellere Regeneration sorgen.

Das Gen Myostatin hemmt den Muskelaufbau und verhindert somit unkontrolliertes und übermäßiges Muskelwachstum. Um mehr Muskelmasse zu erreichen, wird versucht das Gen gezielt zu unterdrücken. Die beiden Rinderrassen, Weißblauer Belgier und Piemonteser Rind, produzieren von Natur aus kein Myostatin, wodurch sie stark ausgeprägte Muskelmassen aufweisen. Im Jahr 2000 wurde in Berlin ein Junge geboren, der ebenfalls kein Myostatin bildete. Er zeigte schon im Kindesalter eine ausgeprägte Muskulatur und konnte mit vier Jahren zwei 3 kg Hanteln stemmen.  Ein gewolltes Muskelwachstum kann erreicht werden, wenn gezielt das Gen Myostatin in den Muskelzellen des Menschen ausgeschaltet wird.

Für das Gendoping kann ebenfalls das Gen Follistatin sehr interessant werden. Follistatin ist der natürliche Gegenspieler des Myostatins. Die Funktionsweise ist noch nicht vollständig erforscht, weshalb es erst in der Zukunft für eine Leistungssteigerung in Frage kommen wird. In Tierversuchen wird das Potenzial von Follistatin deutlich. Mäuse entwickeln nicht nur mehr Muskelmasse, sondern auch mehr Körperkräfte. Javaneraffen entwickeln auch Muskelmasse und Muskelkraft, ohne das andere Organe durch die Veränderung des Gens geschädigt werden.

Außerdem gibt es den Muskelwachstumsfaktor IGF-1. Das anabole Hormon IGF-1 steht für „Insulin -like Growth factor-1”, das aufgrund seiner insulinähnlichen Wirkung so heißt. Die Leber wird auf natürliche Weise von einem Hormon Namens HGH angeregt, IGF-1 zu bilden. IGF-1 ist ein Botenstoff, der Wachstumshormone anregt, um ihre volle Wirkung zu entwickeln und somit für den Muskelaufbau verantwortlich ist. Neben Muskelaufbau, sorgt IGF-1 für mehr Kraft, Fettabbau und eine schnellere Regeneration. IGF-1 steht bereits im World-Anti-Doping Code, denn körperfremdes IGF-1 ist verboten.

Die Skelettmuskulatur kann beim Gendoping nicht nur für den Muskelaufbau als Ansatzpunkt dienen. Mit dem Gen PPAR-delta kann die Faserzusammensetzung der Skelettmuskulatur so verändert werden, dass eine bessere Ausdauer erreicht wird. PPAR-delta heißt Peroxisomen-Proliferator aktivierter Rezeptor delta. Dieses Rezeptorprotein bewirkt eine Umwandlung von Muskelfasern. Generell wird zwischen fast-twitch und slow-twitch, also zwischen schnellen und langsamen Muskelfasern unterschieden. Mit PPAR-delta wird die Bildung der slow-twitch-Fasern erhöht. Die langsamen Fasern enthalten viel Glykogen und zahlreiche Mitochondrien, die den aeroben Stoffwechsel unterstützen. Die Mitochondrien betreiben mit Sauerstoff vermehrt Zellatmung, wobei die universelle Energiequelle ATP gebildet wird, mit der längere Muskelarbeit möglich ist. Da PPAR-delta gezielt eingesetzt werden kann, wurde es 2009 von der WADA auf die Verbotsliste gesetzt.

Zur Verbesserung der Sauerstoffversorgung des Gewebes zählen alle Gene, die Auswirkungen auf die Hämoglobin-Konzentration im Blut oder auf die Vaskularisierung des Gewebes haben. Dafür gibt es zahlreiche Möglichkeiten.

Das Hormon Erythropoietin, auch EPO genannt, ist jedem Sportler bekannt. Es wird im Körper gebildet, wenn durch sportliche Leistungen das Gewebe nicht mit ausreichend Sauerstoff versorgt werden kann. EPO erhöht die Anzahl der Erythrozyten, die den Sauerstoff binden und zum Gewebe für die Zellatmung transportieren. Somit wird der Sauerstofftransport und die Ausdauer verbessert. Beim Gendoping kann das Gen Repoxygen in die Zellen eingeführt werden. Repoxygen ist für die Bildung von EPO verantwortlich. Wird das Gen gezielt verändert, kann deutlich mehr vom körpereigenen EPO gebildet werden.

Bei Sauerstoffmangel wird zusätzlich VEGF gebildet. VEGF steht für “Vascular Endothelial Growth Factor”. Es sorgt für die Bildung von neuen Blutgefäßen, wodurch das Kapillarsystem weiter ausgeprägt wird. Das Blut mit dem gebundenen Sauerstoff gelangt durch die Oberflächenvergrößerung zu mehr Zellen, die mit dem Sauerstoff mehr Zellatmung betreiben, wodurch der Sportler länger Leistung erbringen kann.

Sowohl die Bildung von EPO, wie auch von VEGF werden von HIF-1 reguliert. HIF-1 heißt Hypoxie-induzierbarer Faktor-1. Genau genommen werden zwei Untereinheiten, HIF-1alpha und HIF-1beta, unterschieden. Es steuert alle Gene, um die Sauerstoff-Homöostase konstant zu halten. Sobald eine Hypoxie, also eine Mangelversorgung an Sauerstoff des Gewebes, registriert wurde, wird vermehrt HIF-1alpha gebildet, das bestimmte Zielgene aktiviert. Neben EPO und VEGF gibt es weitere Zielgene, die alle die Sauerstoff-Homöstase, also die Konstanthaltung der Sauerstoff Versorgung zum Ziel haben. Da HIF-1 der Hauptregulator für die Sauerstoff-Zufuhr ist, stellt er für das Gendoping eine besondere Gefahr dar, um mit einer verbesserten Sauerstoffversorgung eine erhöhte Ausdauer zu erlangen.

Die Ansatzpunkte für das Gendoping beschränken sich nicht nur auf Muskelmasse, Kraft und Ausdauer. Mit genetischen Veränderungen können ebenfalls Schnelligkeit, Willenskraft und Durchhaltevermögen, sowie die Schmerztoleranz manipuliert werden.

Gendoping bietet zahlreiche Ansatzpunkte und weitreichende Möglichkeiten. Inwiefern diese zukünftig oder vielleicht schon heute angewendet werden, ist bis jetzt noch ungewiss.